Artikel im Zürcher Unterländer – Lernen ausserhalb der Volksschule

Jedes 14. Kind im Kanton Zürich besucht eine Privatschule. Für Eltern ist das eine teure Angelegenheit. Doch in Unterländer Privatschulen trifft man nicht nur auf Kinder aus reichen Familien.

Die grosse Altersspanne in der Privatschule Eventa in Nürensdorf hindert die Kinder nicht daran, ihren Bewegungsdrang gemeinsam auszuleben. Bild: Balz Murer

Es ist Pause in der Privatschule Eventa in Nürensdorf. Vor dem Schulgebäude in einem Wohnquartier leben die 14 Kinder ihren Bewegungsdrang aus. Die Altersspanne in der kleinen Schule reicht von 6 bis 14 Jahre. Um den ganzen Schulstoff von der ersten bis zur sechsten Klasse abzudecken, teilen sich vier Lehrpersonen drei Vollzeitstellen. Während die Grösseren an einem Tisch Englisch lernen, übt eine Gruppe von Kleineren Kopfrechnen. «Wir legen grossen Wert auf solide Grundlagen», sagt Schulleiterin Daniela Waigel.

Das Einmaleins oder schriftliches Teilen zum Beispiel seien Voraussetzung, um anspruchsvollere mathematische Aufgaben zu lösen. Auch eine saubere Heftführung und enge Betreuung sei dem erfahrenen Team wichtig, sagt Waigel. «Viele Kinder können nicht gut umgehen mit den grossen Freiheiten, die heute an der Volksschule üblich sind.» Daniela Waigel hat die Privatschule Eventa in Nürensdorf vor 13 Jahren gegründet. Zuvor hat sie viele Jahre an der Volksschule unterrichtet, bis ihr die Klassen und der administrative Aufwand zu gross wurden.

Mobbing kann ein Grund sein

Dass die Eltern bereit sind, über 20 000 Franken Schulgeld pro Jahr zu bezahlen, hat denn auch häufig damit zu tun, dass es in der Volksschule nicht rund gelaufen ist. Mobbing sei ein häufiger Grund für den Wechsel, sagt die Schulleiterin. Die 10-Jährige Maria etwa erzählt vom groben Klima an der Schule in Bülach, wo sie die ersten beiden Schuljahre zubrachte. Ausdrücke wie «verpiss dich» seien auf dem Pausenplatz häufig gefallen. «Ich hatte kaum Freunde und fühlte mich nicht wohl.»

Etwa ein Drittel der Schülerinnen und Schüler haben einen Sonderschulstatus. Für sie zahlt ihre Schulgemeinde. «Dabei handelt es sich aber um Ausnahmeregelungen», sagt Volksschulamt-Chefin Marion Völger. Die Sonderschülerinnen und -schüler führen aber zu einer besseren Durchmischung von Kindern aus wohlhabenden und ärmeren Familien.

Bei einem Sonderschulstatus stellt die Schulgemeinde meist auch einen Schulbus zur Verfügung, solange die Kinder nicht mit dem öffentlichen Verkehr anreisen können. In anderen Jahren hätten diverse Eltern ihre Kinder mit dem Auto in die Schule chauffiert, erzählt Waigel. Zurzeit kommen die meisten aber mit öffentlichen Verkehrsmitteln. So zum Beispiel Gabriela aus Winterthur. «Es ist wie eine Familie hier», sagt die Elfjährige. In der öffentlichen Schule in Winterthur dagegen habe die Lehrerin wenig Zeit und Geduld gehabt, etwas zweimal zu erklären. Nun verstehe sie den Schulstoff aber gut, sagt die Fünftklässlerin, die voraussichtlich in zwei Jahren wieder die in die normale Sekundarschule übertreten wird. Weil sie Unihockey spielt, hat sie ein paar Kolleginnen an ihrem Wohnort behalten.

Verschiedene Schwerpunkte

Die Eventa ist eine von insgesamt 15 privaten Schulen und Kindergärten im Unterland. Im Vergleich zu Zürich und Winterthur, wo überdurchschnittlich viele Privatschulen angesiedelt sind, ist das Angebot im Unterland überblickbar, aber dennoch vielfältig: Ein Hotspot ist die Flughafenregion mit ihren international ausgerichteten Institutionen. In Wallisellen decken gleich zwei internationale Schulen den Bedarf von Expat-Familien ab. Hier können ihre Kinder dem Unterricht auf Englisch folgen und finden später wieder gut Anschluss ans Schulsystem im Herkunftsland, sollte die Familie weiterziehen.

Zudem stehen in Wallisellen und Opfikon insgesamt drei zweisprachige Kindergärten zur Verfügung. Dieser Typus Privatschule boomt im ganzen Kanton, vor allem auch rund um den Zürichsee.
Schulen mit religiösen Schwerpunkten dagegen stagnieren im Kanton. Im Unterland zählt einzig die Edelweiss Education Schule in Oberhasli zu diesem Typus. Sie gehört zu den weltweit tätigen Schulen One School Global, die im christlichen Glauben verankert sind, aber auch einen Fokus auf eigenverantwortliches Lernen und digitale Anwendungen setzen.

Gebetet werde in der Schule nicht, versichert Schulleiter Reto Oetiker. «Unsere Lehrpersonen müssen selber nicht religiös sein. Sie vermitteln den Glauben nicht.» Die Schule sei prinzipiell für alle offen. Dennoch unterrichte man vorwiegend Kinder aus Familien der Freikirche Plymouth Brethern Christian Church. Demnächst will die Schule umbauen und einen Sportplatz vor dem ehemaligen Gewerbegebäude erstellen. Häufig wählen Eltern auch eine Privatschule wegen ihrer speziellen Pädagogik. Bekannt sind die Rudolf-Steiner-Schulen mit ihrer antroposophischen Ausrichtung in Zürich und Winterthur. Im Unterland gibt es vier Kindergärten, die gemäss der italienischen Psychiaterin Maria Montessori besonderes Gewicht auf das Fördern der Selbstständigkeit legen.

Lange Betreuungszeiten

Für die Eltern sind die langen Öffnungszeiten der privaten Kindergärten ein häufiger Grund, die Kosten auf sich zu nehmen. Der Meadows Montessori Kindergarten in Winkel zum Beispiel bietet während 47 Wochen im Jahr von 7.30 bis 18 Uhr Betreuung an. «Das ist ein grosses Plus, wenn beide Elternteile arbeitstätig sind», sagt Leiterin Kirsty Künzi. Zudem können die Kinder bereits mit drei Jahren eintreten und bis zum Schuleintritt bleiben.

In den letzten Jahren hat sich die Privatschulen-Landschaft im Unterland verändert: Während die Schulen Kind im Zentrum in Bachenbülach, Pet&Pony in Steinmaur sowie die Birchler Tagesschule in Wallisellen verschwunden sind, ist die Tagesschule Bülach neu dazu gekommen. Im ganzen Kanton ist die Quote der Kinder in Privatschulen in den letzten 10 Jahren stets etwa bei 7 Prozent geblieben. Im Kindergarten beträgt sie 6 Prozent, in der Primarschule 5,5 Prozent und in der Sekundarschule 10 Prozent. Die meisten der Unterländer Institutionen sind nicht bis zum letzten Platz ausgelastet.

Auch die Eventa in Nürensdorf könnte noch ein paar mehr aufnehmen. Vor allem um ein paar zusätzliche kleinere Kinder wäre man froh, sagt Daniela Waigel. Zurzeit gibt es nur einen einzigen Erstklässler und keine Zweitklässler. Lukas scheint sich aber an seine Rolle als Kleinster gewöhnt zu haben. Obwohl er den Grösseren kaum bis zur Brust reicht, zwirbelt er in der Pause munter zwischen ihnen hindurch.

*Namen der Kinder geändert